Als der Euro im Jahr 2002 in Form von Münzen und Banknoten eingeführt wurde, interessierten sich plötzlich auch solche Zeitgenossen für den Inhalt ihres Geldbeutels, die (noch) nicht das Münzensammeln als Hobby für sich entdeckt hatten. Doch die Suche nach Münzen und Motiven aus fremden Ländern faszinierte Jung und Alt. Eine ähnliche Situation erlebten die Deutschen rund 130 Jahre zuvor – als im Jahr 1871 die Mark in allen Gliedstaaten des Deutschen Reichs eingeführt wurde, lernten die Menschen in allen Ecken des Landes viele neue Gesichter kennen, die auf den Münzen der einzelnen Königreiche, Fürstentümer und Großherzogtümer abgebildet waren.
Sowohl für Sammler als auch für Anleger bietet das Deutsche Kaiserreich einen unkomplizierten Einstieg in die Welt der Münzen aus Gold und Silber: Viele Motive sind zu erschwinglichen Preisen erhältlich. Insbesondere die Münzen aus dem Königreich Preußen werden nah am aktuellen Goldpreis gehandelt und auch die Silbermünzen sind mit einem geringen Aufschlag erhältlich. Dies liegt in erster Linie an den hohen Auflagen, mit denen die preußischen Münzen aus Gold und Silber geprägt wurden. Durch seine Vormachtsstellung im Deutschen Reich – der König von Preußen war gleichzeitig Deutscher Kaiser – und wegen der hohen Einwohnerzahl prägte Preußen einen großen Anteil der Münzen, die im Umlauf waren.
Neben den großen Königreichen Preußen, Bayern, Württemberg und Sachsen beteiligten sich jedoch auch Territorien an der Münzprägung im Reich, von denen wohl viele Zeitgenossen damals noch nie etwas gehört haben und die inzwischen als eigenständige Länder von der Landkarte verschwunden sind. Doch für die Fürstentümer und Herzogtümer war die Münzprägung eine seltene Gelegenheit, ihre Souveränität innerhalb des Staatenbundes deutlich zu machen – allerdings war es sehr unwahrscheinlich, dass Menschen in Preußen eine Münze aus den Fürstentum Lippe oder aus Sachsen-Weimar-Eisenach zu Gesicht bekamen.
Insbesondere die Goldmünzen aus dem deutschen Kaiserreich haben sich in den vergangenen Jahren zu einer beliebten Investment-Alternative entwickelt, denn trotz ihres vergleichsweise geringen Gewichts werden sie mit einem äußerst niedrigen Aufschlag auf den Goldpreis verkauft. Dies liegt insbesondere daran, dass die Produktionskosten längst abgegolten sind, während diese Kosten bei der Prägung von neuen Münzen heute anfallen und zumindest teilweise an den Käufer weitergegeben werden. Außerdem bevorzugen viele Anleger die so genannten „Kurantmünzen“, weil die Lagerung unkompliziert möglich ist. Weil die Goldmünzen bereits Abnutzungsspuren aus dem Umlauf aufweisen, können sie problemlos in Säcken oder Kisten verstaut werden.
Als die neue Währung im Kaiserreich eingeführt wurde, folgte das Deutsche Reich einem Trend, welcher im 19. Jahrhundert bereits in vielen anderen europäischen Ländern etabliert war: Die Regierungen der einzelnen Staaten gaben neben den sogenannten „Scheidemünzen“, bei denen der Nennwert unterhalb des Metallwertes lag, auch so genannte „Kurantmünzen“ aus – bei diesen Münzen sollte der Metallwert ungefähr dem Nennwert entsprechen, der Nennwert war also durch das Metall „gedeckt“. Durch diese Maßnahme sollte die Akzeptanz der Münzen über die eigenen Landesgrenzen hinaus gesteigert werden. Und wegen des Goldgehaltes sind diese Münzen bis heute anerkannt und akzeptiert, auch wenn die Mark als Währung des Kaiserreichs sowie der nachfolgenden deutschen Staaten längst untergegangen ist. Viele Edelmetall-Anleger sprechen nicht zuletzt wegen dieses Effekts von Gold als „ewiger Währung“.