Die Freiheitsgöttin „Libertas“ ist heutzutage vor allem in Form der „Statue of Liberty“ bekannt, welche einst Einwanderer und heute vor allem Touristen im Hafen von New York begrüßt und auf diversen Münzen der Vereinigten Staaten von Amerika zu sehen ist. Doch „Liberty“ ist nicht nur auf den Geldstücken aus den USA vertreten – auch andere Staaten verwendeten die Frauenfigur, um ihr Streben nach Unabhängigkeit zu verdeutlichen.
Im Schatten der US-amerikanischen „Lady Liberty“ steht eine andere elegante Dame, welche im 20. Jahrhundert auf prächtig gestalteten Goldmünzen zu sehen ist: Auf der Vorderseite der Goldumlaufmünzen aus Chile ist die Freiheitsgöttin „Libertas“ zu sehen, die hochgesteckte Haare und einen Lorbeerkranz trägt. Ihr Halstuch ziert ein Stern, der auch auf der chilenischen Flagge zu finden ist. Die Rückseite der Münze ziert das chilenische Staatswappen, gehalten von einem Condor sowie einem Anden-Hirsch.
Auffällig bei der Gestaltung der Wertseite sind gleich zwei numismatische Details: so ist der Nennwert der Münzen nicht nur in Pesos angegeben, sondern auch in „condores“. Hierbei handelt es sich um eine alternative Währungsbezeichnung, welche im Jahr 1925 eingeführt wurde und einen Gegenwert von zehn Pesos hatte. Kurios mutet zudem an, dass die Goldmünzen in Peso-Währung auch zwischen 1960 und 1975 geprägt wurden, als in Chile mit dem Escudo eine völlig neue Währung eingeführt wurde.
Die stolze Lady Liberty erinnert an den Kampf der Chilenen um die Unabhängigkeit, welcher im Jahr 1810 mit der Einsetzung einer eigenen Regierung einen ersten Höhepunkt markierte und im Jahr 1818 abgeschlossen worden. Nach der Einrichtung der Republik gab Chile neue Goldmünzen heraus und erstmals war die Unabhängigkeitsgöttin im Jahr 1839 auf den Goldprägungen des Landes zu sehen – passend zur Einführung des dezimalen Währungssystems in Chile.
Die Goldmünzen aus Chile, die heutzutage bei Edelmetallhändlern mit einem leichten Aufschlag auf den aktuellen Goldpreises als Anlageprodukte verkauft werden, sind durchaus eine numismatische Kuriosität: Die meisten Stücke stammen aus einer Zeit, in der die Inflation in Chile massiv zunahm und das Land während der Pinochet-Diktatur international in Verruf geraten war.
Mit der Einführung der Goldmünzen hatte Chile ab dem Jahr 1926 versucht, seine Währung zu stabilisieren. Der Goldstandard wurde allerdings bereits im Jahr 1932 wieder aufgegeben und sorgte für einen weiteren Wertverfall des Peso. Dennoch erhielt Chile die Prägung der Goldmünzen in den Folgejahren weiterhin aufrecht. Die bekannteste Ausgabe mit einem Nennwert von 100 Pesos wurde zwischen 1926 und 1980 mit Auflagezahlen zwischen 40.000 Stück (1957) und 540.000 Stück (1947) geprägt, daneben gibt es Varianten zu 50 Pesos und 20 Pesos. Das Edelmetall stammt aus den reichen Goldvorkommen des Landes.
Auch wenn die chilenische Liberty keinen Namen trägt, reiht sie sich ein in die Gesellschaft anderer weiblicher Nationalallegorien wie beispielsweise der Britannia aus Großbritannien, der Marianne aus Frankreich oder der Helvetia aus der Schweiz.