Gold wird üblicherweise aufgrund von drei Motiven nachgefragt: als Inputfaktor in der Industrie, zur Erzeugung von Schmuck und zur Erfüllung von Geldfunktionen wie Wertaufbewahrungs- und Tauschfunktion. Alle diese Teilnachfragen sind mehr oder weniger preiselastisch. Steigt zum Beispiel der Goldpreis, geht die Goldnachfrage für Industrie- und Schmuckzwecke zurück. Ein steigender Goldpreis ermuntert jedoch in der Regel gleichzeitig auch eine Ausweitung der Goldproduktion und arbeitet so der Verteuerung des gelben Metalls entgegen.
Die Währungsgeschichte zeigt eindrucksvoll, dass das Gold den Menschen jedoch insbesondere zur Erfüllung eines Zweckes dient: als Geld, als allgemein akzeptiertes Tauschmittel. Das Goldgeld ist, so lässt sich durchaus sagen, die währungshistorische Norm. Der Grund: Gold hat die physischen Eigenschaften, die ein Gut haben muss, damit es als Geld verwendet werden kann: Gold ist knapp, homogen, teilbar, prägbar, haltbar, transportabel, unverderblich und verkörpert einen relativ hohen (Tausch-)Wert pro Gewichtseinheit. Gold ist so gesehen gutes Geld, es ist geradezu perfektes Geld.
Auch heute noch – in einer Welt des entmaterialisierten, des ungedeckten Papiergeldes – konkurriert Gold mit den offiziellen Währungen wie zum Beispiel US-Dollar, chinesischer Renminbi, Euro oder Schweizer Franken. In den letzten Jahrzehnten waren aus Sicht vieler Anleger die offiziellen Währung in einer Hinsicht attraktiver: Mit ihnen ließ sich ein Zins verdienen, mit dem Halten von Gold nicht. Doch eben dieser Wettbewerbsvorteil der offiziellen Währungen ist nunmehr perdu: Die Niedrig- beziehungsweise Negativzinspolitik der Zentralbanken hat die Marktzinsen auf beziehungsweise unter die Nulllinie getrieben.
Der Grund ist die weltweite Hochverschuldung von Staaten, Banken und Konsumenten. Eine Abkehr aus der Niedrig- beziehungsweise Negativzinspolitik, eine Rückkehr zu normalen Zinshöhen, ist daher sehr unwahrscheinlich. Die Marktzinsen werden aller Voraussicht nach nicht nur extrem niedrig bleiben, sondern in realer Rechnung vielfach auch negativ werden. Denn der „Politik-Mix“, der in einer allgemeinen Überschuldungssituation als das vergleichbar kleinste Übels angesehen wird, enthält auch den Einsatz der „Inflationssteuer“: die bewusste Schmälerung der Kaufkraft des Geldes.
Im heutigen ungedeckten Papiergeldsystem können die Zentralbanken – die das Monopol der Geldproduktion haben – für jede gewünschte Inflation sorgen, wenn es denn politisch gewollt ist. Die Zentralbanken können nämlich die Geldmenge de facto jederzeit in jeder beliebigen Menge ausweiten. Bislang haben sie – in einem ersten Schritt – lediglich die Basisgeldmengen ausgeweitet, um den Bankenapparat zahlungsfähig zu halten. Der zweite Schritt wird jedoch vermutlich bald folgen, um die Preise auf breiter Front in die Höhe zu treiben. Das kann beispielsweise durch das Ausgeben von Hubschrauber-Geld erfolgen.
Die Zentralbank beschenkt beispielsweise alle Bürger in ihrem Währungsraum mit neuen Banknoten; oder sie erhöht die Guthaben aller Kontoinhaber um einen bestimmten Prozentsatz; oder sie vergibt zinslose Kredite an die Staaten, die das neue Geld zum Beispiel im Zuge von Infrastrukturbauten unter das Volk bringen. Welcher Weg auch gewählt wird, die Geldmenge lässt sich jederzeit in jeder beliebigen Menge ausweiten. Und steigt die Geldmenge kräftig genug, ist es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Preise steigen und die Kaufkraft des Geldes schwindet.
Das Gold kann nicht beliebig vermehrt werden, seine Kaufkraft kann nicht willkürlich geschmälert werden. Der Anleger, der sich entscheidet, liquide Mittel zu halten – und dafür auf andere (zu erwartende) Erträge zu verzichten –, für den ist das Gold im aktuellen Umfeld daher besonders attraktiv: Das Gold ist nicht nur liquide, es bietet auch einen Schutz vor Totalverlust. Zusätzlich bietet das Gold auch eine Chance, einen Wertzuwachs in mittlerer bis langer Frist zu erzielen. In einer zusehends zinslosen Welt ist Gold bereits jetzt schon ein ernster Konkurrent für mittel- bis langfristig gehaltene Termin- und Spareinlagen.
Empfiehlt der aktuelle Preis einen Goldkauf? Auf diese Frage kann man keine wissenschaftlich-fundierte, sondern bestenfalls eine subjektive Einschätzung geben: Blickt man beispielsweise auf die Goldpreisentwicklung in Relation zur weltweiten Geldmengenausweitung der letzten Jahrzehnte, so scheint der Goldpreis derzeit vergleichsweise günstig zu sein. Für Anleger, die langfristig orientiert sind – die in Zeitspannen von, sagen wir, fünf, zehn oder mehr Jahren denken –, sollte damit die Wahrscheinlichkeit recht hoch sein, dass sich der Erwerb von Gold zum aktuellen Preis als überaus lohnend herausstellen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Polleit
Chefvolkswirt der Degussa
thorsten.polleit@degussa-goldhandel.de