Die Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle des Fed-Offenmarktausschusses hat in der Vergangenheit immer wieder für Unruhe an den Finanzmärkten gesorgt. Denn in dem wichtigsten Gremium innerhalb der Federal Reserve sitzen die Spitzen der regionalen Notenbanken und entscheiden über den weiteren Kurs der Zinspolitik. Doch am Mittwochabend blieb es nach der Veröffentlichung des neuesten Protokolls auffällig ruhig an der Börse, bei Aktien und Gold waren kaum Veränderungen zu beobachten. Dies ist erstaunlich, denn das Protokoll enthält eine brutale Erkenntnis.
Offenbar hat die Fed, die für das wohl größte fiskalpolitische Experiment der Menschheitsgeschichte verantwortlich ist, weder eine Strategie noch einen Zeitplan für einen Ausstieg aus diesem Experiment. Zwar werden die Zinsen inzwischen wieder in zögerlichen Mini-Schritten erhöht. Doch die Bilanzsumme der Fed bleibt auf einem Rekordstand – rund 4,5 Billionen US-Dollar hat die Fed aktuell in ihren Büchern stehen, das sind rund 3968 Milliarden Euro. So gut wie alle renommierten Ökonomen sind sich einig, dass diese Summe dringend reduziert werden muss. Immerhin belieb sich die Bilanz der Fed vor den gigantischen Markteingriffen durch Anleihekäufe und Nullzins auf ein Drittel des aktuellen Wertes.
Doch die wichtigsten Währungshüter der Welt haben offenbar die Kontrolle über das Experiment verloren: „Die Mitglieder hatten verschiedene Ansichten über den angemessenen Zeitpunkt einer Änderung der Reinvestitionspolitik“, heißt es in feinstem Verwaltungs-Jargon in dem Protokoll (Minutes), welches sich auf die jüngsten Sitzung des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) vom 13. bis 14. Juni bezieht. Damit rückt das Gremium von seiner Einschätzung der vorherigen Sitzung ab, wo ein Abbau noch im Jahr 2017 angepeilt wurde.
Kritische Marktbeobachter sind von dem Schlingerkurs der Fed nicht überrascht: Die wichtigste Notenbank der Welt steht mit dem Rücken zur Wand. Ihre fiskalpolitischen Stimuli haben die Börsenkurse beflügelt, es liegt also auf der Hand, dass eine Rücknahme dieser Stimuli nicht ohne Folgen bleiben kann. Ein breit angelegter Verkauf der Staatsanleihen, welche sich in den Büchern der Fed angehäuft haben, würde unweigerlich zu einem Crash an den Anleihemärkten führen. Und eine energische Fortsetzung der Zinswende würde den US-Haushalt belasten, weil dann der Schuldendienst des Staates teurer wird.
Die unterschiedlichen Haltungen innerhalb des Fed-Offenmarktausschusses dürften nun zu einem Stillstand und zu weiteren Mini-Schritten führen, welche den großen Knall nur noch unnötig in die Zukunft verlagern. Das „quantitative easing“ mag zu einem Börsenboom geführt haben, doch die Notierungen der meisten US-Aktien können inzwischen ohne Übertreibung als „teuer“ bis „überteuert“ bezeichnet werden. Und in den USA mehren sich die Anzeichen, dass der große Wirtschaftsaufschwung am Ende doch deutlich kleiner ausfällt. Die ersten Experten sehen die wichtigste Volkswirtschaft der Welt geradewegs in die Rezession abdriften.
Die Zukunft der Finanzmärkte wird also keinesfalls ruhig ausfallen – im Gegenteil, möglicherweise muss auch die Fed schon bald den Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Zinswende erklären und sich dann wieder in das Konzert der übrigen Notenbanken einreihen, die sich einen Wettstreit um Nullzinsen und Staatsanleihen liefern. Die „eue Zürcher Zeitung“ hat gerade erst vorgerechnet, dass die Federal Reserve, die Bank of Japan und die Europäische Zentralbank gemeinsam inzwischen etwa ein Drittel der weltweit gehandelten Anleihen besitzen.
In Deutschland beweisen dagegen viele Anleger einen kühlen Kopf und machen einen großen Bogen um die heiß gelaufenen Märkte für Aktien, Anleihen und Immobilien. Sie kehren stattdessen in den „sicheren Hafen“ Gold zurück. Denn die Unsicherheit, die von der Fed-Politik ausgeht, kann den Finanzmärkten auf lange Sicht nicht gut tun. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Goldpreis sich in diesem Jahr nachhaltig oberhalb von 1.200 US-Dollar etabliert hat. Das gelbe Metall stand zuletzt zwar wieder unter Druck, doch das Hin-und-Her der Notenbanken macht deutlich, dass Gold als Vermögensschutz und Inflationsversicherung so wichtig ist wie schon lange nicht mehr.